Große Koalition: Ja oder Nein?

Veröffentlicht am 27.11.2017 in Partei

In diesen Tagen flammt die Diskussion darüber auf, ob die SPD ihre Blockadehaltung gegen eine erneute Große Koalition aufgeben sollte. Soll sie wirklich? Darüber sind unser Fraktionsmitglied Dr. Roland Bertet und unser Stellvertretender Vorsitzender Florian Wanitschek verschiedener Meinung.

Wir müssen uns erneuern!

-8,6% für die Union und -5,2% für die SPD. Das ist das Ergebnis der Bundestagswahl. Für mich bedeutet das vor allem eins: Die Menschen wollen keine Große Koalition (GroKo) mehr. Nach vier Jahren mit einer fast schon erdrückenden Mehrheit im Parlament wurden die beiden Parteien regelrecht abgestraft. Und doch flammt dieser Tage, nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche wieder die Diskussion darüber auf, ob es nach 2005 und 2009 zum bereits dritten Mal in diesem Jahrhundert eine Regierung dieser beiden Parteien geben soll. Ich sage ganz klar Nein! Nicht nur, dass es die Wähler offensichtlich nicht mehr wollen, es gibt meiner Meinung nach auch inhaltlich keine Grundlage mehr für dieses Bündnis; beim Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit, das an Angela Merkel gescheitert ist hat sich ja gezeigt, dass es nicht mal mehr möglich war, das umzusetzen, was im Koalitionsvertrag 2013 vereinbart wurde. Dadurch ist Vertrauen verloren gegangen, das es fast unmöglich macht, weitere vier Jahre mit der Union gemeinsam etwas umzusetzen. Davon abgesehen, dass Soli abschaffen und Kindergeld erhöhen keine Inhalte für vier Jahre sind.

Nach der aus SPD-Sicht enttäuschenden Wahl hat innerhalb der Partei ein Prozess begonnen, der bekannt ist unter dem Hashtag #SPDerneuern. Wer das ernst meint, kann nicht ernsthaft nun eine Regierungsbeteiligung mit CDU/CSU anstreben. Erneuern heißt, sich zu besinnen; sich zu überlegen, was man will; wie die Partei in Zukunft aufgestellt und ausgerichtet sein möchte – das geht nicht während man quasi „nebenher“ wieder regiert. Erneuerung muss auch auf personeller Ebene stattfinden, ich erwarte von der SPD, dass sowohl Geschlechter als auch Flügel bei der Verteilung von Posten berücksichtigt werden.

Einer der ersten, der sich offen für Gespräche mit der Union gezeigt hat war der Sprecher konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs. Der Seeheimer Kreis hat seit Jahren einen großen Einfluss in der Partei, bestimmt mit, in welche Richtung sich die Partei bewegt und stellt häufig das Spitzenpersonal (Martin Schulz, Carsten Schneider und der designierte Generalsekretär Lars Klingbeil werden dem Seeheimer Kreis zugeordnet). Gelandet sind wir bei 20,5 %. Dass ausgerechnet dieser Flügel wieder nach vorne prescht und meint, zu wissen, was für die SPD nun das richtige sei ist nur schwer zu ertragen.

Ich bin in der SPD weil ich denke, dass die Ausrichtung und Idee der Sozialdemokratie die Richtige ist. Für mich ist eine starke Sozialdemokratie daher essentiell für die Gesellschaft. Wenn nun in der Debatte von der Verantwortung für das Land die Rede ist und man deshalb sich einer Koalition mit der Union nicht verschließen dürfe, sehe ich diesen Schritt nicht als Verantwortung für das Land. Es wäre stattdessen eine reine Selbstaufgabe. Verantwortung für das Land ist in meinen Augen viel eher, für eine Starke SPD zu kämpfen. Und das sollten wir tun und deshalb eventuelle Neuwahlen oder die Möglichkeit einer Minderheitsregierung nicht als Risiko, sondern als Chance begreifen!

Martin Schulz hat angekündigt, die Mitglieder vor einem eventuellen Neueintritt in eine GroKo darüber abstimmen zu lassen. Ich weiß bereits jetzt: sollte es dazu kommen, werde ich mit Nein stimmen!

Florian Wanitschek, stellvertretender Vorsitzender SPD Kornwestheim

 

Erneuerung mit Regierungsverantwortung vereinen

Quo Vadis, SPD?

Gretchenfrage für die SPD: Große Koalition oder Erneuerung in der Rolle der Opposition? In der gesamten Republik und natürlich in der SPD wird diese Frage kontrovers und leidenschaftlich diskutiert.

Die Befürworter der Oppositionsrolle begründen ihre Position mit der dringend notwendigen Erneuerung der Partei durch eine Rückbesinnung auf tradierte sozialdemokratische Werte und deren Umsetzung in praktische Oppositionsarbeit.

Meine Position ist eine gänzlich andere. Am Abend der Wahlniederlage hat Martin Schulz – fast euphorisch – der großen Koalition kategorisch eine Absage erteilt. Damit hat sich die SPD selbstverschuldet in eine schwierige Position gebracht. Nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche bleiben der Partei zwei Rollen, von denen sie eine besetzen muss: sich als Umfaller zu präsentieren, deren Aussagen nur temporäre Gültigkeit besitzen oder als Partei zu gelten, die in einer schwierigen staatlichen Situation egoistisches Erneuerungsdenken über staatspolitische Verantwortung stellt.

Berthold Brecht meinte einmal: „Wer A sagt muss nicht B sagen, wenn er erkennt, dass A falsch war.“

Die SPD (Schulz) hat bei „A“ voreilig, emotional und mit wenig Weitblick sich in eine schwierige Rolle manövriert, die auch für die SPD Basis eher trennende als einigende Aspekte beinhaltet. Die momentane Situation bietet der SPD ungleich erfolgversprechendere Möglichkeiten als jemals zuvor. Damit ist auch die Möglichkeit gegeben, innerhalb der Regierungsarbeit sozialdemokratische Anker zu setzen und auf diesem Weg die Erneuerung mit Regierungsverantwortung zu vereinen.

Dr. Roland Bertet, SPD Stadtrat

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