Legendenbildung in der Bürgerversammlung

Veröffentlicht am 03.12.2013 in Kommunalpolitik

Tote soll man eigentlich ruhen lassen.

Deshalb wollte ich mich nicht mehr zur „Andriof-Brücke“ äußern. Nachdem Oberbürgermeister Schlumberger jedoch in der Bürgerversammlung vom 25.11. die Gemeinderatsfraktionen der SPD und der Grünen für das Scheitern der Vorplanung der „Andriof-Brücke“ (mit)verantwortlich gemacht und sich an weiteren Legenden beteiligt hat, seien namens der SPD-Gemeinderatsfraktion die Fakten nochmals klargestellt:
1. Es trifft zu, dass die Gemeinderatsfraktionen der SPD und der Grünen zu den Plänen für die „Andriof-Brücke“ anderer Auffassung sind, als der OB. Es ist das Risiko der Demokratie, dass andere anderer Meinung sind.
2. Der OB hat kundgetan, wer nicht seiner Meinung zu der Brücke gewesen ist, sei (mit)verantwortlich für das Scheitern dieser Pläne. Dies tut uns zu viel Ehre an. Die ehemalige CDU/FDP-Landesregierung hat sich von der SPD-Gemeinderatsfraktion weder beraten lassen, noch sonst auf uns gehört. Sie hat die Planung begonnen und das Planfeststellungsverfahren nicht zu Ende gebracht. Diese Unfähigkeit hat sie ganz allein gezeigt; unsere Hilfe hat sie dazu nicht gebraucht. Auch die neue Landesregierung hat ihre Entscheidung, das Planfeststellungsverfahren nicht weiter zu betreiben, ohne uns getroffen.
3. Eine vollständige Information hätte des Hinweises bedurft, dass die „Andriof-Brücke“ in der mittelfristigen Finanzplanung der CDU/FDP-Landesregierung nicht enthalten war. Mit anderen Worten: Die Brücke war versprochen, aber nicht finanziert.
4. Mit der unter der Bezeichnung „Andriof-Brücke“ damals in Planung befindlichen Straße sollten die Landesstraßen Remseck/Mühlhausen und Remseck/Öffingen miteinander verbunden werden. Eine Verbindung der B27 von Kornwestheim zur B14 in Fellbach war nie Gegenstand dieser Planung. Straßenbaulastträger einer Verbindung zweier Bundesstraßen ist die Bundesrepublik Deutschland, die daher in Gestalt der Bundesregierung (konkret: des Bundesverkehrsministers) auch zu entscheiden hat, ob eine solche Verbindungsstraße geplant und gebaut werden soll. Der Bundesverkehrsminister hieß in den letzten 4 Jahren Ramsauer; er gehört der CSU an. Dieser in der Bürgerversammlung nicht erwähnte Minister und nicht der vom OB gescholtene Landesverkehrsminister hat - mindestens durch das von ihm perfekt beherrschte - Unterlassen entschieden, dass die Verbindung der beiden Bundesstraßen nicht geplant und gebaut wird.
5. Der Bau der „Andriof-Brücke“ hätte Remseck auch nach den vom Regierungspräsidium eingeholten Gutachten werktäglich eine Zunahme des Fahrzeugverkehrs um mindestens 9.500 Fahrzeuge beschert. Diese Fahrzeuge wären zur Brücke und - beim Befahren in Richtung Remseck - nach Verlassen der Brücke auf den bestehenden Straßen gefahren. Die Staus auf der Westumgehung Aldingen und auf anderen Straßen und den dadurch zu erwartenden Schleichverkehr z.B. durchs Haldengebiet kann sich jeder unschwer vorstellen. Deshalb waren und sind wir gegen die Verwirklichung der „Andriof-Brücke“. Im Gegensatz zum OB und der Gemeinderatsmehrheit glauben wir nach wie vor nicht, dass in einer deutlichen Steigerung der Verkehrsbelastung eine Lösung der Remsecker Verkehrsprobleme liegt.
6. Suggeriert wurde, der Bau der „Andriof-Brücke“ hätte die „Neue Mitte“ ermöglicht. Dies trifft indes nicht zu. Zwar wäre die Verkehrsbelastung der Neckarbrücke beim Bau der „Andriof-Brücke“ nach allen Vorhersagen vermindert worden. Die Vorhersagen gingen insoweit von einer zu erwartenden werktäglichen Verkehrsbelastung von rund 23.000 Fahrzeugen aus.Es liegt auf der Hand, dass die „Neue Mitte“ mit einer derartigen Verkehrsfrequenz auf einer sie mittig durchquerenden Straße nicht realisiert werden könnte. Mir ist aber niemand bekannt, der annimmt, die alte Landesregierung habe beabsichtigt, in Remseck außer der „Andriof-Brücke“ noch eine weitere Brücke zu bauen. Aber natürlich stand ich der alten Landesregierung nicht so nahe, wie andere.
7. Aus der Sicht des OB haben die Verwaltungen und Gemeinderäte in Fellbach und Kornwestheim die „Andriof-Brücke“ offenbar aus reiner Boshaftigkeit abgelehnt. Dem ist nicht so. Kornwestheim hat z.B. die Brücke abgelehnt, weil schwer erträgliche Staus auf der Aldinger Straße zu erwarten waren, die auch eine massive Einbuße für die Gewerbetreibenden des neben der Aldinger Straße befindlichen Gewerbegebietes befürchten ließen. Die Interessen dieser Gewerbetreibenden blieben in der Bürgerversammlung unerwähnt; dagegen schalt der OB die Fellbacher Gewerbetreibenden dafür, dass sie seiner Meinung nach ihre Position gegenüber dem Fellbacher OB nicht deutlich gemacht hätten. Diese Ausführungen sind mir unverständlich: Während des Planfeststellungsverfahrens wurde allgemein bekannt, dass die IHK Waiblingen dem Regierungspräsidium 25.000 € bezahlt hat, damit die Planung der „Andriof-Brücke“ läuft wie geschmiert. Dies – und damit die Position der Organisation der örtlichen Gewerbetreibenden – kann dem Fellbacher OB und dem Fellbacher Gemeinderat wohl kaum entgangen sein.
(Nebenbei: Wie würden die Herren Hauk, Strobl und andere sowie die mit der Landes-CDU verbandelte Publizistik wohl die Backen aufblasen, wenn ein Naturschutzverband die Landesregierung dafür bezahlen würde, dass sie eine Straße nicht plant?).
Wir halten daher an unserer Position zur „Andriof-Brücke“ fest. Wir unterstützen aber das Projekt „Neue Mitte“ und halten dieses mit der die Verkehrsbelastung in Neckargröningen vemindernden Westrandstraße für gut realisierbar. Selbstverständlich sind mit der Westrandstraße die Remsecker Verkehrsprobleme nicht gelöst. Sollte jemand unter einer solchen Lösung verstehen, dass sich der mobile Individualverkehr auf der Remsecker Gemarkung 7 Tage in der Woche jeweils 24 Stunden ohne Kolonnen- oder Staubildung abwickelt, dann ist dies eine illusionäre Erwartung. Wir leben in einem hochverdichteten Raum mit prosperierender Industrie und Gewerbe, dessen Bevölkerung zu einem hohen Prozentsatz motorisiert ist. Bei dem daraus resultierenden Mobilitätsgrad, der sich im werktäglichen Berufsverkehr mit einer – geschätzt - durchschnittlichen Fahrzeugbesetzung von ca. 1,2 Personen pro PKW realisiert, sind Staus unvermeidlich, zumal die Wirtschaft einen Teil der Lagerhaltung auf die Straßen verlegt hat („just in time-Lieferungen“). Effektive Verkehrssysteme sehen selbstverständlich anders aus. Gelegentlich sollte man sich aber klar machen, dass die längsten werktäglichen Staus bundesweit auf jenen Straßen entstehen, die man unter erheblichem Flächenverbrauch mit dem Versprechen gebaut hat, durch ihren Bau seien die überörtlichen Verkehrsprobleme gelöst: den Bundesautobahnen. Dies alles könnte ein Hinweis auf den sicher unangenehmen Gedanken sein, dass nicht die Straßen, sondern wir als deren Benutzer der Kern des Problems sind.

Heinz Layher
Fraktionsvorsitzender