Haushaltsrede 2016

Haushalts- und Finanzplanung 2016 bis 2019:

 

Mit knappen Ressourcen die Stadt entwickeln

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

 

jede Haushaltsrede bringt teilweise eine Wiederholung dessen mit sich, was in den letzten Jahren gesagt wurde. Dies liegt daran, dass die grundlegende Struktur unserer Stadt nicht veränderbar ist. Ich will deshalb voranstellen: Uns ist bewusst, dass wir in einer Kommune mit geringer eigener Steuerkraft leben. Dies wird – wie jedes Jahr – durch einen Blick auf die Einnahmen des Verwaltungshaushalts bestätigt: 28,6 % dieser Einnahmen bestehen aus dem uns zustehenden Einkommenssteueranteil, 22,2 % beträgt der Anteil der Schlüsselzuweisungen nach dem Finanzausgleichsgesetz und lediglich 18,9 % werden aus eigenen Steuern und weitere 10,1 % aus Gebühren und sonstigen Einnahmen aufgebracht. Darin spiegelt sich wider, dass Remseck vorwiegend von Auspendlern bewohnt wird, die in der Industrie und dem Dienstleistungsgewerbe des mittleren Neckarraums arbeiten. Dies ist, wie gesagt, nichts Neues, sondern die in absehbarer Zeit nicht zu ändernde wirtschaftliche und soziale Grundstruktur unserer Stadt. Damit müssen wir demnach leben und wirtschaften.

Denn – auch dies zur Erinnerung – die Lage Remsecks, seine topografischen Gegebenheiten und der Umstand, dass Remseck aus 5 Dörfern und einem Teil von Pattonville besteht, setzt der Entwicklung von Gewerbeflächen und neuen Wohngebieten relativ enge Grenzen. Diese Struktur prägt unsere Notwendigkeiten sowie unsere Möglichkeiten und deren Grenzen.

Aus den prägenden Strukturbedingungen unserer Stadt ergibt sich, dass Remseck alles daran setzen muss, eine für junge Familien attraktive Kommune zu sein und zu bleiben. Wir mussten und müssen daher auf die Veränderungen in der Arbeitswelt und den sich daraus ergebenden Nachfragen nach längeren Betreuungszeiten und nach Kleinkindbetreuung reagieren – und zwar im ureigenen Interesse der Stadt und nicht nur, um der veränderten Gesetzeslage gerecht zu werden. Es war, ist und bleibt deshalb richtig, dass wir die Investitionen in den letzten Jahren vorwiegend auf den Bereich der Kinderbetreuung, der Schulen und Sportstätten konzentriert haben. Unvermeidliche Folge des Ausbaus der Kinderbetreuung mit der Verbreiterung und Ausdifferenzierung der Betreuungsangebote war, dass die Zahl der von der Stadt beschäftigten Erzieherinnen und Erzieher gestiegen ist. Dies musste sich in dem gestiegenen Anteil der Personalausgaben des Verwaltungshaushalts (29,9 %) niederschlagen. Man kann nicht das Eine wollen und das Andere beklagen.

 

Dass insbesondere im Schulbereich weitere Investitionen notwendig sind – und zwar unabhängig vom Ausgang der Landtagswahl – dürfte uns allen klar sein. Mit unserem Antrag auf Umschichtung der Finanzmittel wollten wir die Sicherung der Gemeinschaftsschule als Ganztagesschule voranbringen. Unbestritten ist, dass wir auch im Grundschulbereich vor nachhaltigen Veränderungen stehen – und zwar wiederum nicht, weil eine Ideologie dies fordert, sondern weil sich die Notwendigkeit längerer Betreuung der Kinder aus der berufsbedingten zeitlichen Beanspruchung der Eltern ergibt. Wir befürworten, dass jetzt von Verwaltung und Gemeinderat zügig ein Konzept für die Entwicklung aller in Remseck vertretener Schularten erarbeitet werden soll. Dieser Entscheidungsprozess erfordert ein Zusammenwirken von Elternschaft, Schulverwaltung und Schulträger. Wir sind bereit, das Unsere zu tun, dass wir zu Entscheidungen kommen, die den Bildungsstandort Remseck sichern und verbessern. Sollten diese Entscheidungen nicht zügig fallen und umgesetzt werden, dann werden wir auf unseren Antrag zurückkommen.

Wir alle wissen, dass die Entwicklungschancen und viele Arbeitsplätze in unserer hochdifferenzierten Wirtschaft und Gesellschaft vom Bildungsstandard der Bevölkerung zunehmend abhängen. Investitionen in die Bildung sind deshalb Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.

 

Ein wichtiger Beitrag zur Wohnqualität der Kommune ist auch eine gesicherte hausärztliche Versorgung. Hierzu beizutragen ist uns ein dringendes Anliegen. Deshalb sind wir der Meinung, dass der Gemeinderat sich mehr als bisher mit dieser Thematik auseinandersetzen und zu Lösungen beitragen muss. Wir haben deshalb darauf hingewirkt , dem Thema im AJS ein dauerndes Forum zu schaffen. Wir hoffen, im Zusammenwirken mit der Ärzteschaft, ein die Versorgungssicherheit herstellendes Konzept erarbeiten zu können.

 

Für unsere Stadt ist Wohnraum, der für die Bürgerinnen und Bürger bezahlbar ist, von grundlegender Bedeutung. Wir alle müssen zur Kenntnis nehmen, dass Wohnungen und Entwicklungsflächen im gesamten mittleren Neckarraum und natürlich auch in Remseck knapp sind. Deshalb gilt es einerseits mit den vorhandenen Ressourcen sinnvoll und sozial gerecht umzugehen und auch von Seiten der Stadt weiteren Wohnraum zu schaffen. Dabei sind wir der Auffassung, dass der Gemeinderat hierbei größere Verantwortung übernehmen sollte; diesem Ziel diente unser Antrag auf Einrichtung eines Wohnungsausschusses.

 

Die Stadt muss auch alles daransetzen, die nach dem Flächennutzungsplan noch möglichen, dem Wohnungsbau gewidmeten Baugebiete zu entwickeln. Gerade in diesem Zusammenhang ist die „Neue Mitte“ als ein zentrales Entwicklungsprojekt der nächsten Jahre besonders wichtig. Dabei handelt es sich nämlich um ein Vorhaben, das nicht auf den Bau des neuen Rathauses, einer Stadthalle und eines Medienzentrums reduziert werden darf. Eine solche Betrachtungsweise würde am Charakter des Projekts völlig vorbeigehen. In der „Neuen Mitte“ sollen vielmehr Gewerbeflächen und neue Wohnflächen entstehen. Wenn die „Neue Mitte“ in einer dem Siegerentwurf des städtebaulichen Ideenwettbewerbs gerecht werdenden Weise realisiert wird, dann werden in verkehrsgünstiger Lage neue Wohnungen für 600 bis 800 Bewohner geschaffen sein. Schon daran werden Dimension und Bedeutung des Vorhabens für die städtische Entwicklung Remsecks deutlich. Manchmal kann man ja den Eindruck gewinnen, bei der verschiedentlich geforderten Suche nach neuen Wohnbauflächen werde vergessen, dass die „Neue Mitte“ eine solche Siedlungsfläche enthält. Niemand kann sich aber der Erkenntnis verschließen, dass diese Siedlungsfläche mit der bestehenden Verkehrsführung nicht bebaut werden kann. Deshalb unterstützen wir den Bau der Westrandstraße, die nicht nur die Realisierung der „Neuen Mitte“ ermöglicht, sondern auch erwarten lässt, dass Remsecks Funktion als verkehrliches Tor zum Remstal für unsere Bürger weniger belastend wird. Wir sehen den Bau der Straße als Verlegung der Landesstraße und damit als vorrangig in die Zuständigkeit des Landes fallende Maßnahme an. Wir haben bei Vorliegen der Voraussetzungen zwar keine Einwände gegen einen Bürgerentscheid, gelegentlich sollte sich aber jeder von uns fragen, wo Remseck stünde, wenn sein Gemeinderat kleinmütig gewesen wäre, als es galt, über den Ankauf des Haldengebiets, später über den Ankauf Pattonvilles und über die Stadtbahnverlängerung zu entscheiden. Es muss jedem klar sein, dass die Realisierung der „Neuen Mitte“ ohne die Westrandstraße nicht möglich ist – und zwar völlig unabhängig vom Ausgang der wieder aufgeflammten Diskussion über den sog. Nord-Ost-Ring.

 

Wir wissen, dass die Bauvorhaben Rathaus, Stadthalle und Medienzentrum nicht ohne Neuverschuldung realisiert werden können. Dies ist nichts Neues; vielmehr war dies von Anfang an klar. Zu der notwendigen, natürlich nicht uferlosen Kreditaufnahme stehen wir, denn mit den geplanten Gebäuden werden Werte geschaffen, die der Stadt mindestens die nächsten 50 bis 80 Jahre zur Verfügung stehen werden. Es handelt sich somit um investive, nicht konsumtive Kredite. Dass die drei Vorhaben nur schrittweise realisiert werden können, war im Gemeinderat schon vor der ersten Beschlussfassung klar; auch dazu stehen wir.

 

Der Bau des neuen Rathauses, in dem die gesamte Verwaltung untergebracht werden kann, ist ohne Zweifel notwendig. Die Zusammenführung der Verwaltung lässt eine Steigerung der Effizienz erwarten. Im neuen Rathaus wird es endlich auch Rollstuhlfahrern oder sonst körperbehinderten Menschen möglich sein, an Gemeinderatssitzungen teilzunehmen, sei es als Zuhörer oder als Gemeinderäte. Es ist keine Frage, dass es sich bei den bisher prognostizierten Baukosten von 11,5 Millionen Euro um eine für Remseck stattliche Investition handelt. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass das Land eine Finanzhilfe in Höhe von 2 Millionen Euro bereits zugesagt hat. Ebenfalls muss die nach Bezug des Rathauses eingesparte Miete für die Räume des Baudezernats in die Betrachtung einbezogen werden. Legt man die Kreditlaufzeit von 30 Jahren zugrunde, so werden in dieser Zeit mindestens 2,5 Millionen Euro an Miete eingespart. Gegenzurechnen sind auch die Erträge aus einer anderweitigen Nutzung oder Verwertung des Neckargröninger Domizils der Finanzverwaltung ab Bezug des neuen Rathauses.

 

Die Auseinandersetzung zwischen der Verwaltung und den bisherigen Architekten war von bisher nicht beendeten Turbulenzen begleitet. Dabei konnte der Eindruck entstehen, manche Beteiligte seien der Auffassung, dem Remsecker Gemeinderat müsse Kostenbewusstsein vermittelt werden. Dem ist nicht so. Der Remsecker Gemeinderat hat mehr als 15 Jahre in wechselnder Besetzung den Kurs der finanziellen Konsolidierung verfolgt und dabei gleichwohl beachtliche Investitionen getätigt. Wir müssen demnach sparen nicht lernen. Gleichwohl sollten wir bei unseren künftigen Entscheidungen zu den drei kommunalen Bauprojekten nicht vergessen, dass zum Beispiel ein Rathaus kein Lagerhaus für städtische Bedienstete, sondern ein Haus ist, in dem sich Bürger und Verwaltung, sowie Bürger, Verwaltung und Gemeinderat begegnen und ihre Angelegenheiten regeln sollen. Das Rathaus ist also immer auch und gerade ein Haus der Bürger und repräsentiert damit auch die Wertschätzung, welche die Bürger ihrer Kommune entgegenbringen. Deshalb sollten wir nicht jeden ästhetischen Anspruch aufgeben, den man an ein solches repräsentatives Haus zu stellen hat. Wenn wir einige Millionen Euro für das Rathaus ausgeben, dann soll dieses auch ein Gebäude werden, dessen sich die Bürger nicht schämen müssen. Erinnern wir uns daran, dass wir, wenn wir einem Fremden Heilbronn zeigen, in die Kilianskirche und zum Rathaus gehen und wenn wir ihm Ulm zeigen, dann gehen wir zum Münster, ins Fischerviertel und zum Rathaus und wenn wir ihm Tübingen zeigen, dann gehen wir ins Schloss und zum Rathaus. Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Wir zeigen diese alten Rathäuser nicht, weil die Erbauer dieser – und anderer – Rathäuser vor einigen Jahrhunderten Baudenkmäler errichten wollten, die noch nach Jahrhunderten vorgezeigt und bewundert werden. Das wollten diese Bauherren nicht und darum geht es auch heute nicht. Was diese Bauherren haben wollten, das war eine gute Architektur ihrer Zeit. Hinter diesen Anspruch sollten auch wir nicht zurückfallen. Der städtebauliche Ideenwettbewerb und der Realisierungswettbewerb haben gezeigt, dass wir die Chance haben, das Areal nicht nur zum Fluss hin zu öffnen, sondern es auch als bürgerfreundlichen Platz zu gestalten und es attraktiv zu bebauen. Diese Chance zur Verwirklichung architektonischer und städtebaulicher Qualität sollten wir nicht preisgeben.

 

Wir haben ein Jahr mit großen Herausforderungen hinter uns. Wir können mit großer Befriedigung feststellen, dass wir diese Herausforderungen dank des enormen ehrenamtlichen Engagements unserer Bürgerinnen und Bürger gemeistert haben. Wir haben als Gemeinderat und Verwaltung allen Anlass, den Bürgerinnen und Bürgern für ihr Engagement in Kirchen, Vereinen, Initiativen und nicht zuletzt im AK Asyl Dank und Anerkennung auszusprechen. Erst die Bereitschaft zur aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Entwicklungsprozess macht aus einer Kommune eine lebendige Gemeinschaft. Wenn sich dabei Idealismus und Realismus zu illusionsloser Humanität verbinden, dann kann aus der Herausforderung, welche der Zustrom der Flüchtlinge auf allen Ebenen unseres staatlichen Systems bedeutet, mit deren zu erwartenden und zu fordernden Anpassungsbereitschaft etwas für die Gesellschaft Gutes und Bereicherndes entstehen.

 

Bedanken möchte ich mich namens der Fraktion auch wieder bei Herrn Kellert und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die gewohnt gute Arbeit, die in den Entwürfen des Haushaltsplans sowie der mittelfristigen Finanzplanung und der Wirtschaftspläne für die beiden Eigenbetriebe der Stadt ihren Ausdruck findet. Wir werden dem Haushaltsplan und den beiden Wirtschaftsplänen zustimmen.

 

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.